Hallo, wie versprochen folgt jetzt das 2. Kapitel meiner Fantasygeschichte, die sich einmal nicht um Rika dreht.
Kapitel 2: Der geheimnisvolle Therapeut
Als Melina diesmal erwachte, wusste sie sofort, wo sie sich befand. Sie streckte sich auf ihrem Bett aus, als sie bemerkte, dass ihre Fesseln verschwunden waren. Kaum hatte sie sich aufgerichtet, ging die Tür auf, und der Arzt, welchen sie bereits gesehen hatte, betrat das Zimmer.
„Guten Morgen, Melina“, sagte er mit einem Lächeln. „Hast du dich beruhigt?“ Sie sah den Arzt wütend an, und ihre Augen funkelten. „Lass mich sofort nach Hause!“, rief sie bestimmt. „Das auf dem Dach war nicht so, wie es ausgesehen hat.“
Der Arzt blickte sie nur durchdringend an, es fühlte sich für sie an, als würde er direkt in ihre Gedanken sehen können. Sofort senkte Melina den Blick. Der Arzt ging auf die Knie, um wieder auf ihre Augenhöhe zu kommen.
„Sieh mich an, Melina. Du bist nicht hier, weil jemand glaubt, dass du dich umbringen wolltest, sondern, weil deine dämonischen Kräfte freigesetzt wurden. Du musst lernen, die Kontrolle darüber zu erhalten.“
Melina begegnete widerwillig dem Blick des Therapeuten. Sie suchte nach ihrer Macht und der Lebensenergie des Mannes. Zu ihrer Bestürzung spürte sie jedoch nichts.
„Mach dir keine Mühe, ich habe deine Magie blockiert. Fesseln sind um deine Magie gelegt, damit sie nicht unkontrolliert herausfließen kann. Du musst erst lernen, durch Meditationen deine Gefühle und den Dämon in dir unter Kontrolle zu bringen, bevor ich dir wieder Zugang zu deiner Macht geben kann.“
Melina schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihren Geist. Und da waren sie, die Fesseln, welche sich um einen Teil ihres Geistes legten. Mit ihrer gesamten Willenskraft zog sie daran, doch sie schaffte es nicht, diese zu lösen.
„Melina“, keuchte der Arzt nun angestrengt und griff nach ihren Händen. „Du bist stärker, als ich dachte, aber du musst dich jetzt konzentrieren. Es wäre nicht klug, wenn du alles tötest, was in deiner Nähe ist und vollkommen zum Dämon wirst.“
Seine Stimme klang eindringlich und besorgt. „Ich möchte nicht hier bleiben“, antwortete Melina nur.
Ein wütender Ausdruck trat in das Gesicht des Therapeuten. „Du hast gesehen, wozu Dämonen fähig sind!“, rief er und hielt ihre Hände noch fester. „Nur zu deiner Information, ich war der geflügelte Dämon, der verhindert hat, dass noch mehr passiert. Du hättest fast zwei Lehrer ermordet!“
Seine Stimme wurde immer wütender und schriller. Ohne Punkt und Komma sprach er weiter:
„Ich habe mich verwandelt, obwohl die Verwandlung in einen Dämon für mich äußerst riskant ist. Ich hätte die Kontrolle verlieren können! Dennoch habe ich dich gerettet, da kann ich doch wohl von dir verlangen, dass du mit mir zusammenarbeitest!“
Er atmete tief durch, seine Augen waren noch immer zusammengekniffen. Obwohl Melina nun wusste, dass er ein Dämon war, hatte sie keinen Respekt ihm gegenüber.
„Wenn du noch länger so herumbrüllst, weiß bald jeder hier, dass du ein Dämon bist.“
Der Dämon schüttelte den Kopf. „Ich habe sie alle hypnotisiert. Sie gehen ihrer Arbeit nach, ohne etwas zu sehen oder zu hören, was in diesem Raum passiert.“ Seine Stimme wurde dennoch etwas ruhiger.
„Ich habe selbst mehrere Jahrtausende in der Hölle gelebt“, sagte er nun sanft. „Irgendwann gelang mir und einigen anderen Dämonen die Flucht, und auch ich war einst ein Mörder. Du musst wissen, dass Dämonen nichts fühlen. Es ist ihnen egal, ob sie morden oder quälen.“
Er hielt einen Moment lang inne. „Als ich dann endlich Gefühle spürte, wollte ich anderen Menschen helfen und studierte Medizin. Ich habe meine dämonischen Kräfte unter Kontrolle, dennoch ist es selbst für mich eine Herausforderung. Wenn du dir nicht von mir helfen lässt, wirst du vollkommen zum Dämon und dadurch gefühllos. Möchtest du das wirklich?“
Melina dachte für einen Moment nach, dann schüttelte sie langsam den Kopf.
„Wie hast du es geschafft, Gefühle zu entwickeln?“, fragte sie, doch der Arzt schüttelte abwehrend den Kopf.
„Das ist jetzt nicht wichtig“, sagte er eindringlich. „Ich bin froh, dass du dir helfen lässt. Dir kann ich wenigstens helfen, im Gegensatz zu manch anderen Patienten hier.“
Er sah für einen Moment traurig aus, und Melina sah ihn fragend an. „Was meinst du damit?“, fragte sie.
Der Dämon seufzte. „Viele Menschen, welche eine Psychose haben oder Straftäter sind und hier eingeliefert sind, sind von einem Dämon besessen. Ich habe es sofort gespürt. Sie können jedoch nie lernen, den Dämon in sich zu kontrollieren, denn er hat ihre wahre Seele verdrängt.“
Melina sog scharf den Atem ein. „Das ist doch schrecklich!“, rief sie und sprang auf. „Wir müssen etwas tun!“
Der Arzt schüttelte traurig den Kopf. „Nur der Dämon, welcher den Menschen besessen hat, kann dies auch wieder aufheben. Es würde nichts helfen, wenn ich es den anderen Ärzten und Krankenschwestern sage und Panik verbreite.“
Für einen Moment sagte niemand ein Wort, bis das Mädchen das Schweigen brach. „Gut, ich möchte mit dir zusammenarbeiten. Wie heißt du?“, fragte sie.
„Nenne mich Antariel“, sagte der Dämon nur. „Und jetzt konzentriere dich. Schließ die Augen und wandere mit deinem Geist durch deinen Körper. Spüre deinen Kopf und stelle dir vor, wie Hände deinen Körper hinunterwandern. Von deinem Kopf bis zu deinen Schultern und deinem Rücken, von deinen Schultern zu deinen Armen, zu deiner Brust, zu deinem Bauch und immer weiter hinunter zu den Beinen. Stelle dir etwas Schönes vor, ein schöner Garten oder einen Ort, an welchem du dich sehr geborgen fühlst.“
Melina dachte nach und wählte ihr Zimmer im Haus ihrer Adoptiveltern. Sie rief sich die Vorstellung des Raumes ins Gedächtnis, und eine angenehme Ruhe durchströmte sie.
„Wenn du nun ruhig und geerdet bist, konzentriere dich auf die Wut in deinem Inneren. Spüre sie und stelle dir einen Tresor vor, in welchem du sie verstecken kannst. Das ist der erste Schritt, um einen Teil deiner Dämonenmagie zu kontrollieren.“
Melina konzentrierte sich und spürte die Wut, eine Wut, welche nur darauf wartete, an die Oberfläche zu kommen. Es fühlte sich gut an, diese Wut in sich zu spüren, und sie ließ sich ganz davon einhüllen.
„Nein!“, rief Antariel. „Du musst sie in einen Tresor sperren!“
Die Wut in Melina wuchs und wuchs immer mehr, dann spürte sie etwas. Ein Teil ihres Geistes war wieder frei, und sie konnte die magische Energie von Antariel deutlich spüren. Alles war ihr nun egal, und sie griff nach der Macht. Der Dämon riss seine Augen weit auf, doch selbst sein gequälter Ausdruck ließ sie nicht innehalten.
Dann spürte sie wieder etwas in ihrem Geist. Der Geist, welcher nach ihr griff, fühlte sich schwach an, und sie hatte das Gefühl, als wäre seine Energie fast vollkommen aufgebraucht. Doch dann spürte sie eine übermächtige Müdigkeit in sich aufsteigen, und bevor sie etwas tun konnte, schlossen sich ihre Augen.
Als Melina die Augen aufschlug, lag Antariel neben ihr auf dem Boden. Sofort begriff sie, was geschehen war, und Angst vor sich selbst überkam sie. Sie ging auf die Knie und musterte den Dämon. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass er noch am Leben war, doch seine Energie war noch immer schwach.
Melina spürte sie, doch sie drängte dieses Gefühl beiseite und überlegte, was sie tun konnte, damit er wieder zu Kräften kam. Dann kam ihr ein Gedanke, und ihre Instinkte übernahmen die Kontrolle. Sie konzentrierte sich auf ihre eigene Macht und leitete einen großen Teil davon in den Geist von Antariel. Dieser öffnete die Augen und blickte Melina überrascht an.
„Warst du das? Ich habe neue Energie gespürt.“
Sie nickte und sah den Dämon schuldbewusst an. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Du bist zwar nur ein Halbdämon und nicht vollständig dämonisch, wie ich es bin, dennoch bist du sogar stärker als ich. Du hast mit deiner Wut die Fesseln um deine Magie einfach zerstört. Ich muss überlegen, wie ich mit dir üben kann, damit du deine Magie kontrollieren lernst. Für heute ist erst einmal Schluss, und egal was passiert: Versuche, an etwas Anderes zu denken, wenn du die Lebensenergie eines Menschen spürst. Konzentriere dich bewusst auf etwas, was deinen Geist beschäftigt.“
Mit diesen Worten verschwand Antariel und ließ das Mädchen fragend zurück.