Erster Akt von Schnitzelgesicht, Zweiter Akt von Friehl
Erster Akt
Die Nervenheilanstalt zur Butterblume ist ein Sanatorium der speziellen Art. Hier wird noch auf die gute alte, menschliche Art und Weise geheilt. Die Patienten sind glücklich, die Pfleger gut gelaunt und die Ärzte kompetent. Ein reiner Sonnenschein…
Wirklich alles wunderbar – wenn der erste Absatz dieser Story nicht komplett erstunken und erlogen wäre. Ist er aber leider.
Fangen wir mal in der Gummizelle von Affenface-Alf, dem verrückten Messerstecher an: Ein richtiger Sauhaufen, hier liegt alles durcheinander herum. Taschentücher, Murmeln, gebrauchte Monatsbinden, gelbe Vögel und leere Bierdosen. Alf hat seinen Spitznamen bekommen, weil er häßlich wie der Auswurf eines Zitronenschänders ist. Er wurde eingewiesen weil er mit einem Messer bewaffnet das BND-Hauptquartier niedermetzeln wollte.
Kennt man ja – er hat einfach zuviel Counterstrike gespielt.
Alf hat schlechte Laune. Klar warum – Kein Messer da…
„Oida!“ brüllt Alf. „Wann kommt das Mittagessen?! Fahrt endlich mal die Futterkrippe ran! Sonst hau ich euch allen ein Messer in den Rücken! Mir scheißegal!“
Alf verstummt und wartet.
Keiner antwortet. Dafür geht die Tür auf. Ein Pfleger steckt den Kopf herein, er heißt Hans Hackebeil. „Was geht Alf?“
„Hungeeeeer!“
„Mach hier kein‘ Beef, Digga!“ sagt Hans und richtet sich vor Alf auf. „Hier läuft alles streng nach Hausordnung, erst ist die Tablettenausgabe und dannach kommt die Raubtierfütterung!“
„Deine Hausordnung knall ich ins Klo, und dann kack ich drauf!“ donnert Alf. „Und vorher hau ich ihr noch ein Messer in den Rücken! Mir scheißegal!“
„Sieh es endlich ein, Alf!“ Hans Hackebeil richtet sich noch ein Stück höher auf. „Du hast kein Messer und kriegst auch keins!“
Das hätte Hans nicht sagen dürfen. Alf bricht in Tränen aus. Der Pfleger seufzt tief, und läßt das Häufchen Elend in seinem Selbstmitleid liegen. Er geht eine Tür weiter und öffnet sie.
„Guten Morgen, Fred!“ begrüßt Hans den nächsten Patienten.
Wurstelfinger-Fred ist auch eine ganz spezielle Nummer. Er wollte nach Irland fliegen, um Kobolde zu fangen. Wenn man einen Kobold fängt, dann muss er dir nämlich einen Topf voll Gold geben. Klingt erstmal nach einer verdammt guten Idee, oder? Leider konnte Fred das Geld für den Flug auf die Grüne Insel dann doch nicht zusammenkratzen, so sehr er seine dicken Wurstelfinger auch bemühte. Anstatt seinen Plan aufzugeben, versuchte er anschließend, Optionsscheine auf das Koboldgold zu verkaufen…
Tja, und jetzt sitzt er im Irrenhaus. Und nichtmal hier findet er einen Deppen, der ihm eine Option abkauft…
„Guten Morgen, Hans. Möchtest du einen Optionsschein kaufen?“ Wie immer läßt Fred nichts anbrennen und geht gleich in die Verkaufsoffensive über.
„Ist er warm?“ fragt Hans mit hochgezogener Augenbraue.
Jetzt ist Fred irritiert. „Warum warm? Ich verkaufe doch keine Flatulenzen!“
„Mann, Fred… Ist doch ganz klar, kennst du nicht die Redewendung „Das geht weg wie warme Semmeln“? Also solltest du warme Optionsscheine veräussern.“
„Boah, ihr Kunden seid alle so anspruchsvoll!“
„Wieviele Kunden hast du denn schon?“
„Naja… so ein paar Dutzend potentielle Kunden… habe ich… ungefähr.“
„Potentielle Kunden sind keine Kunden!“
„Nun sei mal nicht so pingelig!“
Genervt schüttelt Hans den Kopf. Wurstelfinger-Fred ist heute mal wieder in Irrsinns-Hochform.
Affenface-Alf brüllt: „Ich hau deinen Optionsscheinen ein Messer in den Rücken! Mir scheißegal!“
Zum Glück kriegt Hans nun Verstärkung, denn Schwester Susi beginnt nun ihre Schicht.
Schwester Susi ist das klassisch blonde Bückstück. Sie bückt sich vor allem deswegen, weil ihre Doppel-D-Melonen sich enorm auf die Schwerkraft auswirken. Knallroter Lippenstift ziert ihre Fressluke. Sie bietet einen Anblick wie aus einem Russ-Meyer-Film. Nur diesmal in Farbe und bunt.
Sie macht sich auch gleich voll Elan an die Arbeit und öffnet die nächste Tür in diesem Irrenhaus. Fast wie ein Adventskalender, nur dass hier in diesem Etablissement nahezu täglich irgendeine Bescherung ist…
„Guten Morgen Seppi, hast du gut geschlafen?“
Der Insasse dieses Zimmers ist Seppi Depp. Der Name ist natürlich Programm. Ein wandelnder Hohlkörper. Wirkt ein wenig wie ein Gartenzwerg auf Drogen…
„Nein, Schwester Susi, ich habe durchgemacht und ein tolles Lied für dich geschrieben!“
„Äh, für mich? Äh… wie reizend…“
Schwester Susi ist schwer begeistert.
Seppi räuspert sich und beginnt zu singen:
„Ich zieh dein linkes Bein nach links,“
„Ich zieh dein rechtes Bein nach rechts,“
„Und schon kommt es dir so vor, als ob…“
„… ich dich popp!“
Susi zieht die Stirn kraus. „Ach ne? Warum wird mir das wohl so vorkommen?“
„Weiß nicht…“ Seppi zuckt mit den Schultern. „Vielleicht täuscht deine Wahrnehmung dich irgendwie?“
„Meine Wahrnehmung täuscht mich ganz sicher nicht!“ faucht Schwester Susi mit roten Kopf. „Wenn du mir das linke Bein nach links ziehst, und das rechte Bein nach rechts, und es mir dann so vorkommt, als ob du mich poppst, dann wird das daran liegen, dass du mich poppst!“
„Ja… so ist der Plan, aber verrat es keinem, sonst klappts nicht!“
„Du hast es aber gerade der völlig Falschen verraten!“
„Ich hau euch allen ein Messer in den Rücken! Mir scheißegal!“ brüllt Alf dazwischen.
„Nun hör dir erstmal die zweite Strophe an.“ Seppi räuspert sich erneut.
„Und dann werd‘ ich dich verwöhnen!“
„Und lass dich lustvoll stöhnen…“
Susi dreht sich genervt auf den hohen Absätzen um und flieht zum nächsten Patienten.
Franz Fröhn. Was soll man zu dem sagen? Eine menschliche Trauerweide, die nachts bei Vollmond verhaftet und eingewiesen wurde. Er hatte ein Gewehr bei sich, und versuchte den Mond zu erschiessen. Eine echt dämliche Idee.
Wie ein Zombie vom Ostbahnhof watschelt er an Susi vorbei, zur Tablettenausgabe. Das Highlight des Tages – kassenfinanzierter Drogenkonsum.
Rote, gelbe, blaue und grüne Pillchen, wie in der Disco, nur die Mukke fehlt. Dafür sind die Getränke hier billiger…
Zweiter Akt
Susi kümmert sich genervt um den nächsten Patienten.
Gummizelle Nummer sieben. Die Tür ist verklebt. Mit Heu. Und Käsescheiben.
Susi bleibt kurz stehen, schnaubt einmal durch die Nase wie eine unbeeindruckte Trampelziege und öffnet dann vorsichtig die Klappe.
Drinnen: Brunhilde. Früher war sie Schlagersternchen in Ostwestfalen („Ein Euter für dein Herz“) – heute glaubt sie, sie sei eine preisgekrönte Hochleistungskuh mit Sendungsbewusstsein. Laut eigener Aussage wurde sie reinkarniert, um „die Milchstraße zu melken“.
„Muuuh!“, schreit sie, „Ich bin wieder nicht gemolken worden! Ich bin prall wie ein russischer Außenminister beim Saufgelage!“
Susi: „Brunhilde, wir hatten gesagt: Erst Frühstück, dann melken.“
Brunhilde, mit Schaum vorm Maul, brüllt: „Wenn ich nicht sofort einen Saugnapf am Zitzenansatz spüre, sprenge ich diese Einrichtung mit einem buttermilchsauren Schwall apokalyptischer Säugetierenergie!“
Hans Hackebeil, der gerade dazustößt, seufzt tief. „Wir hätten sie nie mit den Agrarfetischisten in Zelle zwölf verkuppeln sollen.“
Susi drückt auf den roten Knopf. Der „Melk-Notruf“. Eine Art Kuhroboter aus den 70er-Jahren rollt klappernd ins Zimmer – halb Erotikmesse, halb Landwirtschaftssimulator. Brunhilde stöhnt ekstatisch.
„Muuuuh… endlich körperwarme Fürsorge.“
Hans schaut sie an, dann Susi. „Ich kündige. Diesmal wirklich. Also morgen. Oder nach dem Nachtisch.“
Während Brunhilde gemolken wird, vibriert plötzlich der Boden. Es zischt in den Lüftungsschächten. In der Ferne singt jemand Gregorianische Choräle rückwärts. Und aus Zelle 13 dringt ein Geräusch, das klingt wie Furz, Orgel und Weltuntergang gleichzeitig.
KRA-BUUUUUMM.
Die Tür fliegt auf.
Es ist die dicke Zitrina.
Ein gelber Ball mit Beinen, Augen und einem leuchtenden Latexüberzug rollt in den Flur. Auf dem Kopf trägt sie einen Kranz aus Klorollen, um die Taille ein Gürtel aus Damenbinden. In der einen Hand ein Vibrator, in der anderen eine Bibel aus Orangenschalen.
„Ich bin Zitrina, die Zitrone der Apokalypse! Ich bringe Saft und Verderben!“
„Zitrina!“ schreit Alf aus Gummizelle Nummer Drei. „Bring mir ein Messer! Dann hau ich es dir in den Rücken! Mir scheißegal!“
Fred hält sich die Ohren zu. „Sie ist wieder aufgeladen! Das ist keine Zitrusfrucht mehr – das ist eine taktische Säurebombe!“
Dr. Quantum erscheint, eingewickelt in Alufolie, mit einer Antenne auf dem Kopf. „Ich habe es im Kartoffelbrei gesehen. Der Tag der Schale ist gekommen.“
Zitrina schleudert eine Klorolle in die Luft – sie bleibt schwebend, wie ein heiliger Heiligenschein über dem Flur.
Franz Fröhn beginnt zu schaukeln, murmelt dabei in Altgriechisch und umarmt seine eigene Niere.
Susi schreit: „Alle zurück in die Zellen!“
Niemand hört auf sie. Denn es ist zu spät.
Zitrina hebt das Vibratorzepter.
„Jetzt kommt die große Sitzkreis-Exorzismus-Zeremonie!“
Ein Campingtisch klappt aus der Wand. Meditationskissen fallen von der Decke. Der Putzroboter beginnt, Mantras zu singen.
Alf prügelt mit seinem Löffel gegen die Wand.
„Ich hau euch allen ein Messer in den Rücken!“ ertönt es. „Auch wenn ich dafür diesen Löffel verwenden muss! Mir scheißegal!“
Brunhilde trampelt aus ihrer Zelle. Tropfend. Grinsend. Sabbernd.
Fred meldet sich zu Wort: „Ich hab Optionsscheine auf jeden einzelnen von euch! Wenn das hier implodiert, bin ich reich!“
Dr. Quantum hält einen abgelaufenen Joghurtbecher in den Himmel und ruft: „Das ist der Gral der Galaxis! Folgt ihm!“
Dann – Stille. Totale Stille.
Ein Ding-Dong aus der Sprechanlage.
„Mittagessen ist eröffnet. Heute: Kartoffelbrei mit Persönlichkeitsfragmenten.“
Alles erstarrt. Zitrina senkt das Zepter. Alf lässt den Löffel fallen. Franz schluckt seine Niere runter. Brunhilde muht andächtig.
In völliger Synchronität drehen sich alle um und trotten Richtung Kantine.
Nur Hans und Susi bleiben zurück.
Hans: „Das war… schlimmer als letzte Woche.“
Susi: „Letzte Woche hatten wir den Typen mit der Salami in der Blase.“
Hans: „Stimmt. Und trotzdem… irgendwie wird mir Alf fehlen, wenn er doch mal ein echtes Messer kriegt.“
„Mir scheißegal!“, murmelt Susi, und geht.
Ende