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Mein Weg zu mir selbst – oder warum ich plötzlich nach nichts mehr rieche (und das gut ist)

Ja, ich weiss. Ich hab mich mal wieder ewig nicht gemeldet. Keine dramatische Funkstille, einfach ein Zuviel von allem: neuer Wohnort, neuer Alltag, neue Baustellen – innerlich wie äusserlich. Und ehrlich, so viele Eindrücke auf einmal sind irgendwann weniger «Wow, Neuanfang!» und mehr «Hilfe, mein Kopf ist ein laufender Presslufthammer.»

Dazwischen stapeln sich Kartons, Kabel, Katzen, Kaffeetassen und mittendrin liegt Coco in seinem Hundebett und beobachtet das Chaos mit der stoischen Ruhe eines, der weiss, dass Menschen eh nie fertig werden. Und irgendwo dazwischen steht schon alles bereit für Sole – die bald einzieht und vermutlich glaubt, sie adoptiere hier drei Katzen, einen Hund und zwei leicht durchgeknallte Menschen. Ich freu mich drauf. Wirklich. Nur manchmal wünsch ich mir, das Leben käme mit einer Pausentaste und einem klaren Duft nach Ruhe.

Und genau da beginnt mein kleiner Selbstversuch. Oder nennen wir’s ehrlicher: mein Entzug. Kein Alkohol, keine Zigaretten – nein, schlimmer. Ich hab mit künstlichen Duftstoffen Schluss gemacht. Parfüms, Deos, Duschgele, Waschmittel, die der Nase vorgaukeln, sie stünde mitten in einem Douglas – alles raus. Nur noch duftfreie Reiniger, eine schlichte Seife und das, was der Körper selbst kann. Nachhaltig, ja. Aber vor allem ehrlich. Denn irgendwann hatte ich genug davon, dass mein Geruchssinn nur noch mit Kunstschnee funktioniert.

Der Auslöser: Miraculix und die Duftstoff-Unverträglichkeit

Bevor jetzt jemand denkt, ich hätte jemanden beinahe mit meinem Deo vergiftet – nein. Miraculix hat mich vorher gewarnt. Klare Ansage: kein Parfüm, kein Rasierwasser, kein Duschgel mit «Ozeanfrische» oder «Power-Minze». Duftstoffe sind für ihn wie schlechte Laune – unnötig, laut und schwer wieder loszuwerden. Keine Allergie, eher eine Art Unverträglichkeit, gepaart mit dem einfachen Wunsch, keine Chemiekeule einzuatmen, wenn es nicht sein muss.

Also hab ich mich beim ersten Treffen zusammengerissen. Kein Parfüm, kein Schnickschnack – aber immerhin noch ein duftstofffreies Deo. Sozusagen das Methadon der Körperpflege. Es war seltsam ruhig um mich herum. Kein «Frische-Kick», keine Wolke, die hinter mir herzieht. Nur Haut, Luft und ich. Aber ich wollte, dass Ruhe ist. Dass er atmen kann, ohne Reaktion, ohne Reiz. Kein Heldentum, einfach Rücksicht, wie sie sein sollte.

Spannend wurde es erst später. Denn irgendwann hab ich gemerkt, dass es gar nicht nur um ihn ging. Dass mir das selbst guttat. Ich war plötzlich wieder in der Lage, wirklich zu riechen. Nicht dieses aufgesetzte «Sommerregen-mit-Pfirsichkernöl»-Marketing, sondern den echten Geruch von Leben: Holz, Kaffee, Haut, Regen, Tierfell. Und ich dachte mir: Verdammt, das hab ich ja komplett vergessen. Mein Geruchssinn war jahrelang betäubt – von Zeug, das vorgibt, besser zu sein als das, was ich ohnehin bin.

So kam das ins Rollen. Keine grosse Entscheidung, kein Detox-Trend. Einfach das Bedürfnis, wieder echt zu sein – und nicht mehr nach einem Chemielabor zu duften, das verzweifelt versucht, Natur zu imitieren.

Der Entzug: meine Ziegenstall-Phase (auch bekannt als Stinktierzeit)

Ich sag’s gleich vorweg: Wer glaubt, man kann einfach auf Deo verzichten und riecht dann sofort nach Blumenwiese, hat vermutlich noch nie wirklich geschwitzt. Die ersten Wochen sind – freundlich formuliert – intensiv. Der Körper weiss nämlich am Anfang gar nicht, was los ist. Jahrelang wurde er mit Aluminium, Parfüm und „48-Stunden-Frische“-Propaganda dressiert, und plötzlich steht da einer und ruft: «So, jetzt mach mal selbst!»

Also macht er. Und zwar gründlich. Die Hautflora sortiert sich neu, die Schweissdrüsen drehen kurz auf, und das Ergebnis riecht nach – sagen wir – ehrlicher Anwesenheit. Kein Drama, aber deutlich. Ich nenn’s liebevoll meine Ziegenstall-Phase, alternativ auch Stinktierzeit. Drei bis vier Wochen hat’s gedauert, bis der Körper begriffen hat, dass er nicht permanent unterdrückt werden muss. Danach war Ruhe. Kein Gestank, kein Dauerfilm aus Parfümresten – einfach normal.

Wichtig vielleicht an dieser Stelle: Körperhygiene bleibt natürlich trotzdem zentral. Ich hab mir in dieser Zeit morgens, mittags und abends einfach die Achseln mit klarem Wasser abgewaschen oder abgetupft – kein Schnickschnack, keine Chemie. Und ja, Seife kam weiterhin zum Einsatz, aber nur eine ganz schlichte, duftfreie. Man riecht nicht weniger, weil man sich weniger wäscht, sondern weil man anders wäscht – nämlich so, dass der Körper seine Balance wiederfindet, statt gegen ihn anzukämpfen.

Und das Faszinierende daran: Je länger ich ohne Duftstoffe lebte, desto feiner wurde meine Wahrnehmung. Die Nase ist ein lernfaules Organ. Wenn sie ständig mit künstlichen Aromen bombardiert wird, schaltet sie irgendwann in den Streik. Erst im Entzug merkt man, was man alles wieder riechen kann – und wie unglaublich viel das über Gesundheit, Stimmung und sogar Menschen aussagt.

Plötzlich roch ich Dinge, die ich vorher nicht mal bemerkt hatte: den eigenen Geruch meiner Kater, den ich in meiner Duftstoffbombenzeit fast gar nicht mehr wahrgenommen hatte; das Fell von Coco, wenn er aus dem Regen kommt; den Regen selbst auf der Haut; die klare Luft eines Herbstmorgens; die Blüten von Flieder und Kirsche; die satte Frische eines Waldes nach einem Regenguss. Alles kleine, ehrliche Gerüche, die zeigen, wie lebendig die Welt ist, wenn man sie nicht mit Duftspray erschlägt.

Und ja, zwischendurch dachte ich schon: Vielleicht bin ich jetzt endgültig auf dem Weg zum Barfuss-Guru. Aber ehrlich? Ich fühlte mich freier als seit Jahren. Kein chemischer Zwang, kein Marketingversprechen zwischen mir und meinem Körper. Nur Seife, Wasser und Ehrlichkeit. Und das funktioniert erstaunlich gut.

Gesellschaftlicher Blick: Warum wir lernen, uns zu korrigieren

Es ist schon verrückt, wie früh man beigebracht bekommt, dass der eigene Körper irgendwie nicht reicht. Spätestens in der Pubertät heisst es: «Jetzt brauchst du Deo», «Jetzt solltest du dich rasieren», «So geht man nicht aus dem Haus». Und irgendwo zwischen Schulhof und Werbung entsteht dann diese Idee, dass Natürlichkeit etwas ist, das man sich leisten muss – aber bitte nur in gefilterter Form.

Ich erinnere mich noch gut an die Mädels in der Schule, die mit elf schon Kajal trugen, während ich noch versuchte, meine Hausaufgaben zu finden. Es war fast schon Pflicht, „gut“ zu riechen, „gepflegt“ zu wirken, sich irgendwie zu optimieren. Keiner erklärt dir, dass du einfach nur ein Mensch bist, der schwitzt, isst, pupst und Geräusche macht – Dinge, die biologisch völlig normal sind, aber sozial als peinlich gelten. Wir wachsen mit dem Gedanken auf, dass der Körper eine Art Fehlkonstruktion ist, die ständiger Wartung bedarf.

Das ist kein Zufall, sondern ein perfekt funktionierendes System. Werbung, Industrie, Schönheitsideale – alle leben davon, dass wir glauben, unvollständig zu sein. Wer sich unwohl fühlt, kauft. Und so lernt man: Geruch? Weg damit. Haare? Weg damit. Poren? Unmöglich! Und plötzlich wird das Normale zum Makel, und das Abnormale zur Norm.

Psychologisch betrachtet ist das simple Konditionierung. Der Mensch will dazugehören. Akzeptanz bedeutet Sicherheit. Wenn du riechst wie der Rest, kleidest dich wie der Rest und funktionierst wie der Rest, bist du drin im Rudel. Nur blöd, dass man dabei nach und nach vergisst, wie man selbst eigentlich riecht – im übertragenen und im wörtlichen Sinn.

Das Lustige – oder Traurige – ist: selbst Geräusche sind inzwischen sozial reglementiert. Schmatzen, Schlucken, Rülpsen, alles verpönt. Dabei sind das uralte Kommunikationssignale des Körpers. Aber wehe, du machst ein Geräusch, das nicht ins Hochglanz-Setting passt – dann bist du „ungezogen“. Unsere Zivilisation ist so sehr mit dem Unterdrücken beschäftigt, dass sie sich wundert, warum alle innerlich unter Druck stehen.

Ich sag’s mal so: Wenn man schon nicht frei atmen, frei riechen oder frei essen darf, wie soll man dann frei leben? Wir haben aus Selbstpflege eine Religion gemacht – mit Schuldgefühl als Heiligenfigur.

Medizinischer Blick: Der Körper weiss, was er tut

Der Mensch ist schon ein seltsames Tier. Er schwitzt, weil der Körper sich kühlen will – und haut dann Deo drauf, das die Poren zukleistert. Er riecht, weil Bakterien ihren Job machen – und nennt das unhygienisch. Er gibt Geräusche von sich, weil Muskeln, Luft und Verdauung halt keine Lautlos-Taste haben – und schämt sich dafür. Wir tun so, als könnten wir Biologie mit Vanilleduft besiegen.

Aber Körpergeruch ist kein Zufallsprodukt. Er ist ein Kommunikationsmittel. Schweisstransporter und Duftstoffe (Pheromone, falls jemand klugscheissen will) senden Informationen aus: über Stress, Ernährung, Gesundheit, Zyklus, sogar Sympathie. Die Haut ist im Prinzip ein lebendiges Sprachrohr. Und was tun wir? Wir stopfen ihr den Mund mit Deoroller und Duschgel zu.

Das Gleiche gilt für Geräusche. Kaum einer denkt darüber nach, dass Kauen, Schlucken, Rülpsen oder Atmen keine Fehlfunktionen sind, sondern schlicht: Leben. Sie zeigen, dass der Körper funktioniert. Wir haben daraus aber ein soziales Tabu gemacht, weil alles, was an „Tier“ erinnert, nicht in unser zivilisiertes Selbstbild passt. Lieber steriles Schweigen als ehrliches Schlucken.

Selbst der vielgeschmähte Schweisstransport hat eine Funktion. Schweiß ist antibakteriell, hilft der Haut bei der Temperaturregulierung, und wenn man ihn lässt, reguliert sich auch der Geruch – weil die „guten“ Hautbakterien die Oberhand behalten. Wer alles steril hält, tötet genau die Helfer ab, die den Körper eigentlich frisch halten würden. Kurz gesagt: je mehr du gegen dich kämpfst, desto schlimmer wird’s.

Und das ist der Punkt, an dem ich aufgehört hab, mich zu bekämpfen. Der Körper weiss genau, was er tut – er braucht nur Zeit, wieder die Kontrolle zu übernehmen. Man muss ihn nicht optimieren. Nur in Ruhe lassen. Und vielleicht morgens, mittags und abends mal die Achseln abtupfen, falls jemand fragt.

Der Kopf riecht mit

Geruch ist nicht einfach nur Nase. Er ist Erinnerung. Gefühl. Instinkt. Und manchmal eine Zeitmaschine. Während Augen und Ohren durch den Verstand gefiltert werden, schickt die Nase ihre Signale direkt in das limbische System – also genau in die Hirnregion, in der Emotionen und Erinnerungen wohnen. Deshalb reicht manchmal ein Hauch von etwas, und du stehst plötzlich wieder im Sommer deiner Kindheit, irgendwo zwischen Heu, Apfelbaum und Sonnencreme.

Ich hab das am eigenen Leib gemerkt. Der Duft von Holz erinnert mich an Ruhe. Kaffee riecht nach Alltag, nach Sicherheit. Regen auf der Haut nach Durchatmen. Es ist faszinierend, wie sehr Geruch unsere Stimmung lenkt – nur merken wir’s nicht, solange wir uns mit Parfüm und Duftkerzen zuschütten. Wenn du alles mit künstlichen Wolken überdeckst, riechst du irgendwann nicht mehr, was dich eigentlich tröstet.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum mich diese Duftfreiheit so gepackt hat. Sie riecht nicht nach Verzicht, sondern nach Klarheit. Nach echtem Leben. Nach Dingen, die nicht verkauft, sondern erlebt werden. Und ja – manchmal riecht sie auch nach nassem Hund. Aber selbst das ist ehrlicher als jeder Werbespot mit „Sommerregen-Note“.

Gerüche und Identität

Geruch ist etwas unfassbar Persönliches. Jeder Mensch hat seinen eigenen, genau wie jede Katze, jeder Hund, jedes Zuhause. Es ist im Grunde unsere unsichtbare Visitenkarte – nur ehrlicher als jedes Profilbild. Gerade Tiere haben dafür einen siebten Sinn. Katzen und Hunde lesen die Welt über die Nase. Sie erkennen uns an unserem Grundgeruch, nicht an Frisur, Kleidung oder Stimme. Wer ständig Parfüm, Duschgel oder Deo wechselt, bringt sie damit regelrecht durcheinander – ihr Geruchskompass gerät ins Schleudern. Kein Wunder, dass ein Hund irritiert guckt, wenn sein Mensch plötzlich nach „Karibikwind“ riecht.

Ich hab irgendwann gemerkt, dass auch mein eigenes Zuhause riecht – und zwar unverwechselbar. Unser Haus ist über 250 Jahre alt, und man riecht das: Holz, Leben, Geschichte. Mit jedem Tier, jedem Menschen, jeder Katze, jedem Hund, ja selbst jedem Goldfisch – so man einen hat – verändert sich die Grundzusammensetzung dieser Gerüche, die ein Zuhause ausmachen. Wobei es beim Fisch weniger um den Fisch selbst geht, sondern um Futter, Pflanzen oder das Wasser, das alles miteinander verbindet. Selbst das Terrarium von Glenda, Jona und Pandora hat einen eigenen, unverwechselbaren Geruch, wenn ich es öffne – warm, erdig, lebendig. All diese Düfte erzählen, wer hier lebt.

Ich würde unser Haus unter hundert anderen sofort wiederfinden, nur mit der Nase. Das ist kein Scherz – das ist Instinkt. Wenn man wieder fein genug riecht, merkt man, wenn etwas anders ist: wenn irgendwo ein Missgeschick passiert ist, wenn jemand Stress hat oder wenn Miraculix heimlich etwas Essbares in der Tasche versteckt.

In meiner Zeit als laufende Duftstofffabrik hab ich diesen Eigen-Geruch völlig verloren. Ich roch nach „Sportfrische“ oder „Clean Cotton“, aber nicht mehr nach mir. Und das Schlimme ist: Man gewöhnt sich daran. Man merkt gar nicht, dass man sich selbst ausradiert – weil’s alle so machen. Erst, als diese Schicht verschwunden war, hab ich mich wieder gerochen. Und das war seltsam intim. Wie jemandem begegnen, den man lange vergessen hat.

Und das Spannende daran: Geruch ist nicht nur Identität, sondern Biologie pur. Das Immunsystem riecht mit. Es sendet über Duftstoffe winzige Signale nach draussen, die verraten, wie wir immunologisch gestrickt sind. Unser Körper ist darauf ausgelegt, ein möglichst vielfältiges Abwehrsystem an die nächste Generation weiterzugeben. Je ähnlicher das Immunsystem zweier Menschen ist, desto eher stossen sie sich sprichwörtlich ab – man kann sich dann einfach „nicht riechen“. Das ist kein Zufall, sondern ein uralter Mechanismus, der genetische Vielfalt fördern soll. Evolution in Echtzeit, nur mit Nase statt Tinder.

Geruch schafft Nähe. Das merkt man, wenn Tiere sich aneinander kuscheln oder Menschen sich auf Anhieb riechen können – im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn man ehrlich riecht, riecht man nach Vertrauen, nach Zuhause, nach dem, was man ist. Ich glaube, genau deshalb war diese Entwöhnung für mich kein Rückschritt, sondern ein Zurückfinden. Zu mir, zu dem, was echt ist. Und das ist irgendwie das Schönste, was man riechen kann.

Nachhaltigkeit und Alltagstauglichkeit

Nachhaltigkeit klingt immer nach grossem Konzept, dabei ist es im Grunde einfach: aufhören, Unsinn zu kaufen. Wir brauchen keine zehn Flaschen mit „Aloe Vera Ocean Dream“ im Bad. Eine gute Seife, duftfrei, reicht. Dasselbe gilt fürs Putzen, Waschen, Leben. Wir haben Schritt für Schritt alles umgestellt: keine Duschgele mehr, keine Weichspüler, keine Duftkerzen, keine „Frische-Sprays“. Stattdessen duftfreie Reiniger, schlichte Seife, Waschmittel ohne Parfüm – einfach Dinge, die funktionieren, ohne die Nase zu belügen. Und ehrlich, das ist befreiend.

Wir sind einmal mit einer Alltagshilfe aneinandergerasselt, die voller guter Absicht einen Essigreiniger mit Himbeerduft mitgebracht hat. Der sollte angeblich frisch und fruchtig riechen – in Wahrheit war es eine quietschsüsse Wolke, die nichts mehr mit Himbeeren zu tun hatte. Danach haben wir beschlossen: keine Experimente mehr. Reiniger dürfen nach Sauberkeit riechen, nicht nach Dessert.

Im Alltag ist das einfacher, als viele denken. Wir waschen unsere Wäsche mit schlichten, duftfreien Mitteln, die nur das tun, was sie sollen: reinigen. Keine Illusion von Bergluft aus der Sprühdose, keine künstlichen „Waldaromen“, die riechen, als hätte ein Marketingteam versucht, Natur zu imitieren. Und die Werbespots dazu klingen meist genauso künstlich. Unser Zuhause riecht nach Holz, Kaffee und Leben, nicht nach Chemie. Und das ist gut so.

Ganz verzichten muss man dabei trotzdem auf nichts. Ich hab genau ein Parfüm behalten, das ich wirklich mag – mit reinen, natürlichen Duftstoffen, kein künstlicher Mist. Das kommt zu besonderen Anlässen zum Einsatz, nicht, um irgendwas zu übertünchen, sondern weil es zu mir gehört. So riecht Erinnerung, nicht Maskierung.

Gesundheitlich merkt man den Unterschied schnell. Die Haut ist ruhiger, die Schleimhäute meckern weniger, der Kopf auch. Und es ist logisch – je weniger Reizstoffe du auf die Haut gibst, desto weniger Stress hat sie. Ganz nebenbei freut sich das Immunsystem, weil es wieder echte Arbeit bekommt, statt von Duftstoffen, Konservierern und Nanoglitzerpartikeln unterfordert zu werden.

Das alles ist keine Esoterik, sondern praktische Vernunft. Nachhaltigkeit beginnt nicht beim Bio-Siegel, sondern beim Denken: Brauchen wir das wirklich? Muss unser Handtuch nach Vanille riechen, oder reicht es, dass es einfach sauber ist? Für uns heisst nachhaltig leben, dass wir unsere Sinne ernst nehmen. Wir wollen riechen, was echt ist. Und das schliesst ein, dass unser Alltag leiser, ehrlicher und chemiefreier geworden ist – und damit irgendwie auch friedlicher.

Das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen

Was mir immer wieder auffällt: Sobald ich jemandem erzähle, dass ich keine Duftstoffe, keine Deos oder Parfüms mehr benutze, kommt fast reflexartig eine Rechtfertigung. „Oh, das könnte ich nicht, ich schwitze so viel.“ – „Ich brauch das, sonst riech ich doch!“ – „Aber meins ist ganz natürlich!“ Ich sag ja gar nichts dagegen. Ich erzähl nur, wie ich’s mache. Und trotzdem scheint es bei vielen sofort einen Verteidigungsreflex auszulösen.

Psychologisch ist das völlig logisch. Wer sich jahrelang an bestimmte Routinen, Gerüche und Marken gewöhnt hat, verknüpft sie mit Identität, mit Zugehörigkeit, manchmal sogar mit Wert. Wenn jemand wie ich dann sagt: „Ich brauch das alles nicht“, hört das Gegenüber unbewusst: „Du machst es falsch.“ Auch wenn das gar nicht meine Botschaft ist. Es ist der alte Mechanismus von Kognitive Dissonanz – das unangenehme Gefühl, wenn jemand anderes etwas anders macht, und man plötzlich über die eigenen Gewohnheiten nachdenken müsste.

Also erklärt man sich. Nicht, weil man überzeugt ist, sondern um das innere Gleichgewicht zu behalten. Ich kenn das ja von mir selbst. Früher hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert. Heute weiss ich: Man muss niemanden überzeugen, man kann einfach leben, wie’s einem guttut. Und manchmal reicht es, das still zu tun, ohne Duft, ohne Mission, ohne Parfümwolke. Wer will, versteht’s von selbst.

Freiheit riecht nach nichts – oder vielleicht einfach nach Leben

Wenn ich heute zurückblicke, dann war das Ganze nie ein Projekt, kein Trend, kein Versuch, die Welt zu retten. Es war ein Weg zurück – zu uns, zu unserem Zuhause, zu dem, was echt ist. Wir haben aufgehört, uns zu verpacken, zu beduften, zu glätten. Und plötzlich wurde alles einfacher. Leiser. Wahrer. Ich hab gelernt, dass Freiheit nicht nach irgendetwas riechen muss. Manchmal riecht sie einfach nach Luft. Nach Holz. Nach Kaffee. Nach Alltag. Nach Leben, eben.

Ich glaube, viele Menschen suchen gar nicht nach Geruch, sondern nach Ruhe. Nach einem Zustand, in dem man nicht mehr funktionieren oder gefallen muss. Wenn man die ganzen Schichten abstreift – Parfüm, Erwartungen, Etiketten – bleibt nichts Leeres zurück, sondern etwas Echtes. Etwas, das wieder atmet.

Freiheit riecht nicht nach Zitrone oder Lavendel. Sie riecht nach Regen auf Haut, nach einem alten Haus, das Geschichten atmet, nach Tieren, die sich neben einem zusammenrollen, nach Menschsein. Und ja, manchmal auch ein bisschen nach nassem Hund. Aber das ist in Ordnung. Denn das ist echt. Und echt ist immer besser als perfekt.

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